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Ehegattenunterhalt wegen Erwerbslosigkeit

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Der unterhaltsberechtigte Ehegatte trägt im Rahmen des Unterhaltsanspruchs wegen Erwerbslosigkeit die Darlegungs- und Beweislast nicht nur dafür, dass er keine reale Chance auf eine Vollzeitarbeitsstelle hat, sondern auch dafür, dass dies in gleicher Weise für eine geringfügige Beschäftigung (sog. Mini-Job) und auch für eine Erwerbstätigkeit im Rahmen der Gleitzone nach § 20 Abs. 2 SGB IV (sog. Midi-Job) zutrifft.

Der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nch § 1573 Abs. 2 BGB setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Unterhalt begehrende geschiedene Ehegatte eine angemessene Erwerbstätigkeit ausübt oder ausüben kann.

Der Unterhaltsanspruch wegen Erwerbslosigkeit aus § 1573 Abs. 1 BGB besteht nur, solange und soweit der geschiedene Ehegatte nach der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden vermag. Ein Unterhaltsanspruch wegen Erwerbslosigkeit setzt dementsprechend die Feststellung voraus, inwiefern der geschiedene Ehegatte eine angemessene Erwerbstätigkeit nicht erlangen kann.

Die seit dem 1. Januar 2008 geltende Neufassung bestimmt die Angemessenheit der Erwerbstätigkeit vorrangig nach der Ausbildung, den Fähigkeiten, einer früheren Erwerbstätigkeit, dem Lebensalter und dem Gesundheitszustand des geschiedenen Ehegatten. Die ehelichen Lebensverhältnisse kommen im Gegensatz zur früheren Rechtslage nur noch insoweit zum Tragen, als die Tätigkeit nicht mehr angemessen ist, soweit sie nach den ehelichen Lebensverhältnissen unbillig wäre. Das Merkmal der ehelichen Lebensverhältnisse ist demnach kein “gleichberechtigtes” Merkmal zur Prüfung der Angemessenheit mehr, sondern hat nur noch die Funktion eines Billigkeitskorrektivs.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Voraussetzung des Anspruchs aus § 1573 Abs. 1 BGB, dass sich der Ehegatte unter Einsatz aller zumutbaren und möglichen Mittel nachhaltig bemüht haben muss, eine angemessene Tätigkeit zu finden, wozu die bloße Meldung beim Arbeitsamt nicht genügt. Er trägt im Verfahren zudem die uneingeschränkte Darlegungs- und Beweislast für seine Bemühungen und muss in nachprüfbarer Weise vortragen, welche Schritte in welchem zeitlichen Abstand er im Einzelnen in dieser Richtung unternommen hat. Die Beweiserleichterung nach § 287 Abs. 2 ZPO kommt ihm nicht zugute. Die unzureichende Arbeitssuche führt indessen noch nicht notwendig zur Versagung des Anspruchs aus § 1573 Abs. 1 BGB. Die mangelhafte Arbeitssuche muss vielmehr für die Arbeitslosigkeit auch ursächlich sein. Eine Ursächlichkeit besteht nicht, wenn nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Arbeitsmarktes sowie den persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten des Unterhalt begehrenden Ehegatten für ihn keine reale Beschäftigungschance bestanden hat.

Aus der Feststellung, dass die Ehefrau keine Vollzeitarbeitsstelle finden kann, folgt noch nicht, dass ihr mehr als eine geringfügige Tätigkeit nicht möglich ist. Vielmehr bestehen neben den Alternativen einer Vollzeitbeschäftigung und einer geringfügigen Beschäftigung (sog. Mini-Job, § 8 SGB IV) weitere Möglichkeiten, die im Gegensatz zur geringfügigen Beschäftigung (vgl. § 7 SGB V) auch ein Versicherungsverhältnis in der gesetzlichen Krankenversicherung begründen können.

Auch bei einem Einkommen von über 400 € greift noch nicht sogleich die volle Beitragspflicht zur Sozialversicherung, sondern steigen die Arbeitnehmerbeiträge in der sogenannten Gleitzone (§ 20 Abs. 2 SGB IV: monatliches Arbeitsentgelt von 400,01 € bis 800 €) erst allmählich zur vollen Beitragspflicht an. Eine Beschäftigung in diesem Einkommenssektor (sog. Midi-Job) kann sich auch durch Zusammenrechnung der Arbeitsentgelte aus zwei geringfügigen Tätigkeiten ergeben (§ 8 Abs. 2 SGB IV). Mit der zum 1.04.2003 eingeführten Regelung sollten neue Beschäftigungsmöglichkeiten erschlossen und auch solchen Arbeitsuchenden der Zugang zum Arbeitsmarkt eröffnet werden, denen auf Anhieb die Möglichkeit einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nicht offensteht. Mit ihr sind die Möglichkeiten einer Teilzeitbeschäftigung über die geringfügige Tätigkeit hinaus deutlich vergrößert worden, was sich auch in der Arbeitsmarktstatistik niedergeschlagen hat, die in der Altersgruppe der Ehefrau nicht deutlich weniger weibliche Teilzeit- als Vollzeitbeschäftigte ausweist.

Die alleinige Aussage, es erscheine unwahrscheinlich, dass die Ehefrau in ihrer Situation ohne Berufsausbildung mehr als eine geringfügige Beschäftigung finden könne, genügt zu der hier notwendigen Feststellung, dass die Ehefrau im weitergehenden Umfang keine reale Beschäftigungschance hat, nicht. Ein Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine 54jährige Frau ohne Berufsausbildung keine Teilzeitbeschäftigung finden könne, besteht nicht.

Da im hier entschiedenen Fall das Berufungsgericht der Ehefrau zudem nicht nur eine Tätigkeit als Verkäuferin abverlangt hat, sondern auch entsprechend ihrer langjährigen Tätigkeit im Unternehmen des Antragsgegners eine Beschäftigung “im Bürobereich” für angemessen und zumutbar gehalten hat, fehlt es für die Feststellung, dass die Ehefrau nicht insgesamt ein die Gleitzone erreichendes Einkommen erzielen kann, an einer Grundlage. Vielmehr bleibt es insoweit bei der regelmäßigen Darlegungs- und Beweislast der Ehefrau, die auch das Fehlen einer realen Beschäftigungschance darlegen und beweisen muss. Gegebenenfalls hätte das Berufungsgericht hier eine sachverständige Auskunft etwa des zuständigen Jobcenters einholen müssen, um die Erwerbschancen der Ehefrau nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Unternehmen des Antragsgegners beurteilen zu können. Das Risiko, dass sich insbesondere bei mangelnden Erwerbsbemühungen das Fehlen einer realen Beschäftigungschance nur schwer feststellen lässt, trägt die Ehefrau.

Im Ergebnis mangelt es an hinreichenden Feststellungen zum Umfang eines (Teil-)Anspruchs der Ehefrau wegen Erwerbslosigkeit gemäß § 1573 Abs. 1 BGB.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 18. Januar 2012 – XII ZR 178/09


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